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Firma ist insolvent - was tun?

Das Insolvenzrecht ist auch ein Arbeitnehmerschutzrecht.
Das Insolvenzrecht ist auch ein Arbeitnehmerschutzrecht.
Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden 12.100 Firmen insolvent. 96000 Arbeitsplätze waren betroffen. Das Insolvenzverfahren läuft nach gesetzlichen Regeln. Die Insolvenz muss nicht unbedingt das Ende der Firma bedeuten. Es gibt auch in einer solchen Situation Perspektiven. Ist die Firma insolvent, sollten Sie wissen, was Sie erwartet und was zu tun ist.

Ist die Firma insolvent, muss der Unternehmer handeln

Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, innerhalb von drei Wochen Insolvenz anzumelden, wenn sie ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung feststellen. Personengesellschaften und Einzelunternehmer sind nicht insolvenzantragspflichtig. Im Ergebnis ändert sich aber nichts.

  • Das Insolvenzverfahren ist zweistufig. Stellt der Unternehmer oder ein Gläubiger Insolvenzantrag, bestimmt das Insolvenzgericht erstmal einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Regelmäßig verliert der Unternehmer die Verfügungsgewalt über sein Unternehmen. Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es, bis zur endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Vermögen des Unternehmens zu sichern und zu erhalten. Er prüft, ob ein verfahrenskostendeckendes Vermögen vorhanden ist.
  • Je nachdem weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Insolvenzeröffnung ab oder eröffnet in der nächsten Stufe das Insolvenzverfahren. Zugleich wird mit der Insolvenzeröffnung ein Insolvenzverwalter bestellt.

Was tut der Insolvenzverwalter?

Auch im Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens gelten alle tariflichen und arbeitsvertraglichen Pflichten und Kündigungsfristen weiter. Erst mit der eigentlichen Insolvenzeröffnung verkürzen sich eventuell längere Kündigungsfristen auf drei Monate. Kürzere Fristen gelten jedoch fort. Ein gesetzlicher Sonderkündigungsschutz für schwangere und schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Betriebsratsmitglieder bleibt bestehen.

  • Einen Kündigungsgrund "Insolvenzeröffnung" gibt es nicht. In der Regel wird der Insolvenzverwalter jedoch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Diese begründen sich darin, dass die Auftragslage schlecht ist oder das Unternehmen nur mit reduzierter Belegschaft fortgeführt werden kann.
  • Ungeachtet einer vereinbarten Vertragsdauer kann der Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung ordentlich mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende kündigen (§ 113 InsO). Dabei muss er die Kündigungsschutzschutzvorschriften beachten. Insbesondere kommt es auf die Sozialauswahl an. Das Sonderkündigungsrecht erfasst auch befristete Arbeitsverträge.
  • Bei Massenentlassungen ist die Kündigung nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wirksam. Das Unternehmen ist verpflichtet, die Entlassung einer Vielzahl von Arbeitnehmern der Agentur für Arbeit vorher anzuzeigen. Die Anzeigepflicht ist an bestimmte Betriebsgrößen und die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer gekoppelt. Zur Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile kann das Unternehmen einen Sozialplan erstellen (§ 123 InsO). Die Ansprüche daraus sind "Masseverbindlichkeiten". Sie sind vorrangig vor anderen Gläubigern zu erfüllen.
  • Auch im Insolvenzverfahren ist der Betriebsrat vor der Kündigung zu beteiligen. Er kann die in § 102 BetrVG bestimmten Rechte geltend machen. Zentrales Element ist die gerechte soziale Auswahl in der Arbeitnehmerschaft.

Das Schutzschirmverfahren eröffnet neue Perspektiven

Ihr Arbeitsverhältnis besteht auch mit der Insolvenzeröffnung fort. Sie bleiben zur Arbeit verpflichtet, auch wenn die Firma insolvent ist. Ihr Schicksal als Arbeitnehmer hängt davon ab, wie Unternehmer und Insolvenzverwalter die Perspektive des Unternehmens bewerten.

  • Der Unternehmer kann selbst einen Insolvenzantrag stellen. Er wird dies regelmäßig dann tun, wenn er in der Sanierung des Unternehmens eine Perspektive sieht. Er muss dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vorlegen, mit dem die Sanierung gelingen kann. Er hat drei Monate Zeit, das Unternehmen zu sanieren. Das Gericht stellt dem Unternehmer einen vorläufigen Sachverwalter zur Seite, der den Unternehmer berät und beaufsichtigt.
  • Das Gesetz spricht von der "Eigenverwaltung" und gewährt dem Unternehmer das "Schutzschirmverfahren". Der Unternehmer kann unter dem Schutzschirm des Insolvenzverfahrens sein Unternehmen in eigener Verantwortung fortführen. Gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern, wird ihm Vollstreckungsschutz gewährt.

Was Sie als Arbeitnehmer tun und beanspruchen können

  • Lohn vor Insolvenzeröffnung: Sie haben Anspruch auf Insolvenzgeld (früher: Konkursausfallgeld), wenn Sie bei Insolvenzeröffnung für die letzten drei Monate vor Verfahrenseröffnung noch Ansprüche auf unbezahlten Lohn haben. Insolvenzgeld erhalten Sie auch im Fall der Insolvenzabweisung mangels Masse.
  • Sie müssen den Antrag bei der Arbeitsagentur stellen. Da Sie den Antrag nur rückwirkend ab Insolvenzeröffnung stellen können, finanzieren vorläufige Insolvenzverwalter die Auszahlung oft über eine Bank vor. Dazu treten Sie Ihre Lohnansprüche an die Bank ab. Im Gegenzug zahlt die Bank Ihren Lohn und erhält das Geld später von der Arbeitsagentur als Insolvenzgeld zurück.
  • Das Insolvenzgeld entspricht dem Nettoarbeitsentgelt. Abgesichert werden lediglich Ansprüche auf Lohn, die nicht älter als drei Monate sind. Ältere Ansprüche werden als einfache Insolvenzforderungen ohne Vorrang vor anderen Gläubigern behandelt.
  • Lohn ab Insolvenzeröffnung: Ihre Gehaltsansprüche ab Eröffnung des Verfahrens gelten fort. Will der Insolvenzverwalter Ihr Gehalt reduzieren, muss er unter Einhaltung der in § 113 InsO bestimmten Kündigungsfristen eine Änderungskündigung aussprechen. Ihre Ansprüche stellen Masseverbindlichkeiten dar. Dies bedeutet, dass solche Ansprüche gegenüber Ansprüchen von anderen Gläubigern vorweg und damit vorrangig zu befriedigen sind.
  • Urlaub: Ihre Urlaubsansprüche bleiben bestehen. Gleiches gilt für Abgeltungsansprüche für nicht beanspruchte Urlaubstage. Kann der Insolvenzverwalter Ihren Abgeltungsanspruch nicht bezahlen, ist er als nicht bevorrechtigte Insolvenzforderung geltend zu machen. Sie können Ihren Urlaub wie gewohnt beantragen. Solange kein betrieblicher Grund besteht, können Sie den Urlaub antreten.
  • Arbeitszeugnis: Sie haben Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Ihr Ansprechpartner ist der Insolvenzverwalter, der die Aufgabe regelmäßig an die Person delegieren wird, die Sie am besten beurteilen kann.

Die Insolvenzeröffnung ist für alle Beteiligten eine erhebliche Belastung finanzieller und mentaler Art. Es liegt in der Natur der Sache, dass jede Partei versucht, das Beste aus der Sache zu machen. Da ein Insolvenzverfahren eine ausgesprochen komplexe Angelegenheit mit vielerlei Optionen und Perspektiven ist, sollten Sie sich im Zweifel rechtlich beraten lassen. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihre Rechte umfassend gewahrt werden.

helpster.de Autor:in
Volker Beeden
Volker BeedenSeine eigenen Erfahrungen und weitreichende Kenntnisse über Geld sowie Beruf & Karriere gibt Volker mit Freude weiter. In seinen leicht verständlichen Texten beantwortet der Jurist auch Fragen rund um Ihr Zuhause.
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