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Montessori oder Waldorf? - Zwei Konzepte im Vergleich

Sowohl Waldorf- als auch Montessori-Schulen sind Beispiele für Reformpädagogik.
Sowohl Waldorf- als auch Montessori-Schulen sind Beispiele für Reformpädagogik.
Viele Eltern, die ihre Kinder nicht auf eine staatliche Schule bzw. in eine entsprechende Kita oder einen Kindergarten schicken möchten, stoßen bei der Suche nach geeigneten Alternativen auf die inzwischen weit verbreiteten Montessori- und Waldorf-Einrichtungen. Auf den ersten Blick ist es allerdings gar nicht so leicht zu sagen, wodurch sich die beiden pädagogischen Konzepte eigentlich unterscheiden. Ein kurzer Überblick über die grundlegenden Merkmale dieser kann da Abhilfe schaffen.

Grundzüge der anthroposophischen Waldorf-Pädagogik

Die Waldorf-Pädagogik fußt im Wesentlichen auf der anthroposophischen Menschenkunde, welche gegen Anfang des vergangenen Jahrhunderts von Rudolf Steiner entwickelt wurde. Noch heute prägen die Ansichten des einflussreichen Philosophen und Esoterikers die Gestaltung nicht nur des Lehrplans und des Unterrichts an sich, sondern auch der Räumlichkeiten.

  • In Waldorf-Einrichtungen wird viel Wert auf einen rhythmischen und regelmäßigen Ablauf sämtlicher Vorgänge gelegt. Außerdem ist charakteristisch, dass ganzheitlich gelernt wird, d.h. mit Kopf, Herz und Hand. Die Konsequenz ist, dass die handwerklich-künstlerischen Fächer genauso wichtig genommen werden wie die anderen.
  • So werden an Waldorf-Schulen nicht an einem einzelnen Tag völlig unterschiedliche Fächer unterrichtet, sondern es findet ein sogenannter Epochenunterricht statt. Epochenunterricht bedeutet: Ein Fach wird über mehrere Wochen hindurch in den ersten beiden Stunden unterrichtet, um die Inhalte stärker vertiefen zu können und mit dem Schlaf als "Lernhelfer" zu arbeiten. 
  • Weiterhin setzt sich jeder Mensch nach Steiner aus verschiedenen Wesensgliedern zusammen, von denen jedes sieben Jahre lang verstärkt zum Ausdruck kommt. Diese sogenannten Jahrsiebte sind mit der Entwicklung der Wesensglieder verbunden - z.B. werden im ersten Jahrsiebt die Lebenskräfte (Ätherleib) herausgebildet, im zweiten Jahrsiebt die Seelenkräfte (Astralleib) usw. Wenn die Waldorf-Pädagogik altersgemäß handeln will, muss sie diese Zusammenhänge und die Jahrsiebte berücksichtigen. 
  • In Waldorf-Schulen steht außerdem die gleichsam von Steiner entwickelte Eurythmie auf dem Plan. Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die neben der äußeren auch die innere Beweglichkeit schult (also die Beteiligung des Geistig-Seelischen). Sie steht auf dem Lehrplan, weil sie die Wesensglieder harmonisieren und die künstlerische Ausdrucksfähigkeit fördern kann, was z.B. in der Pubertät wichtig ist. Es gibt Laut- und Toneurythmie, d.h. es können Gedichte und Musikstücke mithilfe dieser Bewegungskunst dargestellt werden.  
  • Charakteristisch ist außerdem, dass es einen festen Klassenlehrer von der ersten bis zur achten Klasse gibt, damit sich die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern vertiefen und festigen kann. Während dies in vielen Fällen das gegenseitige Verständnis fördert, kann es zu Problemen kommen, wenn Schüler nicht so gut mit ihren Klassenlehrern zurechtkommen.
  • Konkret werden bei der Gestaltung der Räumlichkeiten und des Tagesablaufs selbst hergestellte Spiel- bzw. Unterrichtsmaterialien aus Naturstoffen verwendet, welche den sinnlichen Zugang zur natürlichen Umwelt unterstützen sollen. Diese Sinnesentwicklung ist aus der Sicht der Waldorfpädagogik besonders wichtig, deshalb werden die genannten Gestaltungsmethoden zur Anregung der Sinne angewandt.

Die kosmische Erziehung nach Maria Montessori

Während bei der Waldorf-Pädagogik eher der sinnliche und künstlerische Zugang zu den Dingen gefördert wird, basieren die Erziehungsmethoden in Montessori-Einrichtungen stärker auf naturwissenschaftlichen und psychologischen Erkenntnissen. Nichtsdestotrotz gibt es mit der sogenannten kosmischen Erziehung ein übergreifendes bildungstheoretisches Konzept mit religiösen Bezügen. 

  • Begründet wurde das pädagogische Konzept ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Italienerin Maria Montessori, welche auch den Leitspruch der Einrichtungen "Hilf mir, es selbst zu tun" prägte. Das theoretische Fundament bildet der Gedanke, dass jeder Mensch eine "kosmische" Aufgabe zu erfüllen hat, die es bereits in der Kindheit zu entdecken gilt.
  • Den Lehrern und Lehrerinnen kommt dabei in erster Linie eine unterstützende Funktion zu. Entsprechend steht hier der Gedanke im Vordergrund, dass Kinder nicht passiv mit Wissen vollgestopft werden, sondern sich dieses durch eine experimentelle Herangehensweise an die Unterrichtsmaterialien selbstständig aneignen sollen. 
  • Wie bei der Anthroposophie verläuft die Kindesentwicklung nach der Psychologie Montessoris in verschiedenen altersgemäßen Phasen. Nichtsdestotrotz gilt hier, dass Kinder stets zu individuellen Zeitpunkten unterschiedlich empfänglich für verschiedene äußere Reize und Ideen sind.   
  • Die Aufgabe des Lehrers ist es dabei, die Entwicklung eines Kindes als "Baumeister seines Selbst" zu verfolgen und jeweils auf geeignete didaktische Methoden zur Vermittlung der Inhalte zurückzugreifen. Insofern kommt hier der sogenannten Freiarbeit und dem Konzept des offenen Unterrichts besondere Bedeutung zu.

Da es von Schule zu Schule und von Lehrer zu Lehrer zum Teil erhebliche Unterschiede gibt, in welchem Maße die von Steiner geprägte anthroposophische Menschenkunde oder die Entwicklungspsychologie von Maria Montessori tatsächlich umgesetzt wird, sollten Sie sich nicht auf das pädagogische Konzept allein verlassen. Versuchen Sie, die Lehrer vorab kennenzulernen und ein Gespür für die Stimmung an einer Schule zu entwickeln, um herauszufinden, wo Ihre Kinder am besten aufgehoben sind.

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