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Waldorf-Pädagogik - Überblick und Vergleich

Kreatives Gestalten und Handarbeiten haben einen großen Stellenwert in der Waldorfpädagogik.
Kreatives Gestalten und Handarbeiten haben einen großen Stellenwert in der Waldorfpädagogik.
Die Waldorf-Pädagogik gilt als alternative pädagogische Strömung, die sich jedoch immer mehr durchsetzt. Anders als andere Ansätze ist die Waldorf-Pädagogik sehr komplex und fest verknüpft mit einem philosophisch-spirituellen Fundament.

Wenn Sie darüber nachdenken, Ihr Kind in einem Waldorf-Kindergarten oder in einer Waldorf-Schule anzumelden, so ist es ratsam, sich zunächst intensiv mit den Hintergründen der Waldorf-Pädagogik auseinanderzusetzen. Anders als bei den meisten anderen pädagogischen Strömungen steckt hinter dem Waldorf-Gedanken eine komplette Lebensphilosophie, hinter der Sie stehen sollten.

Grundsätze und Ursprung der Waldorf-Pädagogik nach Rudolf Steiner

  • Der Reformpädagoge Rudolf Steiner entwickelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine eigene Philosophie im Hinblick auf den Menschen, seine Bedürfnisse und seine Entwicklung. Diesen pädagogisch-philosophischen Ansatz bezeichnet man als Anthroposophie.
  • Der anthroposophische Ansatz wird auch als kosmologische Weltanschauung bezeichnet. Diese beinhaltet philosophische Elemente, die teilweise religiöse Motive aus Fernost aufgreifen, aber auch esoterische und naturwissenschaftliche Ideen.
  • Steiner gründete 1919 in Stuttgart seine erste Schule. Diese war eine Betriebsschule für Kinder der Angestellten der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Daher leitet sich der heutige Name für anthroposophisch geprägte Kitas und Schulen ab.
  • Nach Steiner verläuft die Entwicklung des jungen Menschen in vier Entwicklungsphasen, die jeweils sieben Jahre lang dauern. Zunächst entwickeln sich die Sinne und die Organe. Innerhalb der nächsten sieben Jahre prägen sich das Gedächtnis sowie die Denk- und Lernleistung immer besser aus. Dann folgen die kognitive Entwicklung und das objektive Urteilsvermögen. Nach dem 21. Lebensjahr beginnt der Mensch laut Steiner, seine eigene Persönlichkeit zu bilden.
  • Auch die vier Temperamente finden in der Lehre Rudolf Steiners Beachtung, denn sie beeinflussen den Grundcharakter des Menschen.

Die praktische Umsetzung in Kitas und Schulen

  • Die heutigen Waldorf-Schulen orientieren sich noch stark an den ursprünglichen Ideen Steiners. Die Persönlichkeit des Kindes steht im Vordergrund, es wird weniger Leistungsdruck durch Noten ausgeübt.
  • Der Lehrer hat viele Freiheiten, wie er seinen Unterricht gestaltet. Eine hohe pädagogische Priorität haben aber künstlerische und handwerkliche Fächer wie Hand- und Gartenarbeit, Ausdruckstanz (Eurythmie) sowie Kunst und Theaterspiel.
  • Der Klassenlehrer übernimmt den Hauptunterricht, meist täglich über mehrere Stunden hinweg. Zu diesem sogenannten "Epochenunterricht" gehören Deutsch, Mathematik, Kunst, Geschichte und naturwissenschaftliche Fächer. Innerhalb einer Epoche können Themen ganz intensiv und auch fächerübergreifend behandelt werden. Hinzu kommen weitere Unterrichtsstunden in Fächern wie Singen, Turnen, Werken und später Buchbinden, Schreinern oder Technologie.
  • Grundlagen der Leistungsbewertung sind sogenannte "Epochenhefte", die von jedem Schüler individuell geführt werden. In Waldorf-Schulen werden keine Lehrbücher eingesetzt und auch moderne Medien spielen kaum eine Rolle.
  • In Waldorf-Kindergärten findet sich kein Plastik-Spielzeug. Es werden den Kindern ausschließlich ursprüngliche Materialien wie Holz, Stoffe und Naturmaterialien zur Verfügung gestellt. Die Erzieherinnen beschäftigen sich mit Handarbeiten, während die Kinder spielen, damit sie ihrer Vorbildfunktion gerecht werden können.
  • Die Waldorf-Pädagogik sieht in Kindergärten keine Medienerziehung vor. Einen hohen Stellenwert haben hingegen Tanz und Bewegung, die musische Erziehung sowie die Förderung der Kreativität. Klassische Volkslieder, Märchen und das Puppentheater werden in den Kita-Alltag integriert.

Waldorf oder nicht? - Ein Vergleich zu konservativeren pädagogischen Ansätzen

  • Im Vergleich zu vielen anderen pädagogischen Strömungen ist die Waldorf-Pädagogik sehr komplex. Es ist ratsam, dass Sie sich intensiver mit dem Thema beschäftigen, bevor Sie Ihr Kind in einer Waldorf-Einrichtung anmelden.
  • Die Pädagogik Rudolf Steiners ist verknüpft mit einem bestimmten Lebensstil, der oft als weltfremd und nicht mehr zeitgemäß bezeichnet wird. Wenn Sie also Wert auf einen modernen Lebenswandel legen, beispielsweise im Hinblick auf Mediennutzung, so werden Sie und Ihre Familie in der Waldorf-Gemeinschaft schnell als Außenseiter dastehen. 
  • Die Waldorf-Erziehung lehnt Leistungsdruck ab. Das ist positiv und wünschenswert, solange Ihr Kind noch zur Schule geht. Wird es aber dann mit der Realität außerhalb des Mikrokosmos Schule konfrontiert, wird es sich unter Umständen orientierungslos und gestresst fühlen.
  • Im Gegensatz zu anderen pädagogischen Ausrichtungen werden an Waldorf-Einrichtungen handwerkliche Fähigkeiten stark gefördert. Das kann ein Vorteil sein, wenn Ihr Kind später einen Beruf in diesem Bereich ergreifen möchte. Andere wichtige Kennnisse, wie beispielsweise wissenschaftliches Arbeiten, kommen aber unter Umständen zu kurz.

Wägen Sie genau ab, ob Sie hinter den Grundsätzen der Waldorf-Pädagogik stehen können und ob diese Strömung zu Ihrem Lebensstil passt. Sinnvoll kann hier eine Pro- und Contra-Liste sein. Lassen Sie sich außerdem unbedingt vor Ort die methodischen und didaktischen Leitlinien der jeweils infrage kommenden Waldorf-Einrichtung erläutern, bevor Sie eine Entscheidung treffen.

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