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Krappmann und die Identität

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Interaktion als Prozess des sozialen Lernens
Interaktion als Prozess des sozialen Lernens
Im soziologischen Zusammenhang wird der Begriff "Identität" als die Organisation von Sinn auf Grund von historischen Erfahrungen, persönlichen Fantasien und gesellschaftlichen Normen und Werten verstanden. In seinem Hauptwerk "Soziologische Dimensionen der Identität" entwirft Lothar Krappmann ein Identitätskonzept, in dem der Aufbau der Identität als ein lebenslanger Prozess begriffen wird, der sich an der sozialen Interaktion orientiert.

Prozess der Identitätsbildung als Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und biografischen Ereignissen

  • In der Weiterentwicklung von Meads Identitätskonzept unterscheidet Krappmann zwischen den gesellschaftlichen und den individuellen Bedingungen, die Einfluss auf die Identitätsentwicklung ausüben würden. Während Mead zwischen der verinnerlichten Einstellung des sozialen Umfelds ("me")  und der individuellen Antwort auf diese Rollenerwartungen ("I") differenziert, bringt Krappmann diese beiden Aspekte in einen direkten Zusammenhang.
  • Lothar Krappmanns Identitätskonzept beruht auf der Annahme, dass innerhalb einer Gesellschaft allgemeine Normvorstellungen existieren würden, nach welchen sich Angehörige einer Personengruppe zu verhalten hätten. Die Identitätsbildung würde von dieser gesellschaftlichen Rollenerwartung beeinflusst. Es bestünde ein direkter Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Akzeptanz der individuellen Besonderheiten und der Einhaltung der jeweiligen Rollenerwartung.
  • Im Prozess der Identitätsbildung würde das Individuum zwischen der gesellschaftlichen Rollenerwartung und den individuellen Erfahrungen abwägen. Die gesellschaftliche Rollenerwartung spiegele dabei das vorherrschende Norm- und Wertesystem wieder. Die individuellen Erfahrungen beziehen in den Prozess der Identitätsbildung den soziologischen Begriff der Biografie ein.
  • Aus der Zusammenhangbildung zwischen der gesellschaftlichen Rollenerwartung und den individuellen biografischen Besonderheiten entwickle sich die sogenannte Rollendistanz. Diese beschreibt Lothar Krappmann in seinem Werk "Soziologische Dimensionen der Identität" als Voraussetzung für die Identitätsbildung. Durch die Fähigkeit sich gegenüber gesellschaftlichen Normen reflektierend und interpretierend zu verhalten, sei der soziale Akteur in der Lage, Empathie für andere Lebenssituationen zu gewinnen. Diese Perspektivübernahme ermögliche die Anpassung der individuellen Identität an neue Bedingungen und Erwartungen.

Rollendistanz als Voraussetzung für Perspektivübernahme und Empathie

  • Innerhalb dieser soziologischen Perspektive wird die Identitätsbildung somit als ein dynamischer Prozess verstanden. Eine gelungene Identitätsbildung sei erreicht, wenn es dem Individuum gelinge eine Balance zwischen den widersprüchlichen Rollenerwartungen und eigenen biografischen Bedürfnissen herzustellen. Die sogenannte balancierende Identität wird als Voraussetzung für die erfolgreiche soziale Interaktion beschrieben. Der soziale Akteur interpretiere somit die aktuelle Interaktionssituation im Hinblick auf biografische Handlungsmöglichkeiten.
  • Um die Anerkennung der Identität im Interaktionsprozess zu erreichen, müsse sich der soziale Akteur in die Lage versetzen, eine reflektierende und interpretierende Haltung gegenüber Normen einzunehmen. Die Anerkennung der individuellen Identität wird im Interaktionsprozess erreicht.
  • Lothar Krappmann bezeichnet die Fähigkeit des sozialen Akteurs, sich bestimmten Normen und Werten gegenüber kritisch zu verhalten, mit dem Begriff der Ambiguitätstoleranz.

Die Anwendbarkeit von Krappmanns Konzept in der Praxis

  • Das theoretische Konzept findet Anwendbarkeit im Bereich der Pädagogik. Es liefert eine Erklärung, wie die Kompetenzförderung im Kindesalter den Aufbau einer balancierenden Identität im weiteren Lebensverlauf befürwortet.
  • Im Bereich der Pädagogik gibt es vielfältige Literatur zum sozialen Lernen. Ullrich Bauer verfasste hierzu die Schrift "Das Präventionsdilemma: Potenziale schulischer Kompetenzförderung im Kindesalter".
  • In seinem Werk "Kompetenzerwerb und Lernen im Alter" begreift Bernhard Schmidt-Hertha die Identitätsbildung als einen lebenslangen Prozess.
  • Mit der Thematik des selbstständigen Lernens in der sozialen Interaktion setzt sich auch Heinz Klippert auseinander. In "Unterrichtsvorbereitung leicht gemacht: 80 Bausteine zur Förderung selbstständigen Lernens" gibt er Anweisung zur Kompetenzförderung im Unterricht.
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