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Die Maulwurfsgrille

Mithilfe ihrer zu Grabwerkzeugen umgebildeten Gliedmaßen ist die Maulwurfsgrille perfekt angepasst.
Mithilfe ihrer zu Grabwerkzeugen umgebildeten Gliedmaßen ist die Maulwurfsgrille perfekt angepasst.
Haben Sie schon einmal von der Maulwurfsgrille gehört? Nein? Zeit, das zu ändern und nebenbei etwas über konvergente Evolution zu lernen.

Familie Maulwurfsgrille - Kosmopolitische Bergmänner

Die Familie der Maulwurfsgrillen (Gryllotalpidae) gehört innerhalb der großen Ordnung der Heuschrecken zur Unterordnung der Langfühlerschrecken. Sie ist eng mit den eigentlichen Grillen verwandt. Fossilienfunde belegen, dass die ersten Maulwurfsgrillen vor rund 35 Millionen Jahren im Jungtertiär lebten. Heute existieren von ihnen rund 40 bis 60 Arten auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis.

Die heute lebenden Arten verteilen sich auf drei verschiedene Gattungen (Gryllotalpa, Scapteriscus und Neocurtilla), die äußerlich nur wenig differieren. Auch Experten behelfen sich bei der Unterscheidung mit dem Bau der jeweiligen Gehörorgane oder Abweichungen beim Panzer. In Mitteleuropa ist lediglich die Gattung Gryllotalpa mit einer einzigen Art vertreten, der Europäischem Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa).

Die Maulwurfsgrille ist perfekt angepasst

Mit viel Glück, können Sie eine Maulwurfsgrille zur Paarungszeit von Mai bis Juni beobachten, wenn die Tiere an die Erdoberfläche kommen. Die meiste Zeit des Jahres verbringen die Insekten aber unterirdisch in Sand- und Lehmböden, folglich möglicherweise sogar in Ihrem eigenen Garten. Die Tiere mögen für Sie etwas befremdlich wirken, doch stellt ihr Äußeres eine Anpassung an ihren Lebensraum dar.

Der kleine, kugelige Kopf besitzt ein Paar Stirn- und ein Paar reduzierter Seitenaugen, die in der Dunkelheit nutzlos geworden sind. Die Gehörorgane, die sich nicht am Kopf, sondern an den Gliedmaßen befinden, sind fast komplett verschlossen, damit keine Erde hineingelangen kann. 

Die auffälligste Anpassung an die unterirdische Lebensweise sind die vorderen Beine, die zu Grabschaufeln umgewandelt sind. Für den nötigen „Vorwärtsschub“ sorgen kräftige Sprungbeine. Wird eine Maulwurfsgrille bedroht, reagiert sie mit ihren Hinterbeinen, als wolle sie davon springen - ein Verhalten, das sie von ihren Vorfahren geerbt hat.

Lebensweise und Fortpflanzung von Gryllotalpa gryllotalpa

Das Gangsystem der Gräber verläuft ziemlich durcheinander. Herzstück eines jeden Baues ist die in der Regel fünf bis zehn Zentimeter, im Einzelfall auch bis einen Meter, tief gelegene Nestkammer von Hühnereigröße. Sie ist durch einen spiralförmigen Gang mit der Oberfläche verbunden.

Das Weibchen errichtet das Nest unter einer vegetationslosen Stelle, damit das Gelege durch die Sonnenwärme optimal ausgebrütet wird. Die Grille verpresst die Wände sorgfältig und gräbt zum Schluss Stollen in die Tiefe, die das Regenwasser abführen.

Von Mai bis November legt die Maulwurfsgrille in mehreren Intervallen bis zu 300 Eier. In Abhängigkeit von der Jahreszeit schlüpfen im Sommer nach rund einem Monat, im Herbst nach circa 5 bis 6 Wochen die Jungen. Erstaunlich ist, dass die Maulwurfsgrille echte Brutpflege betreibt. Sie leckt die Eier und die Jungen ab, um sie vor dem Verfaulen zu schützen.

Um zu wachsen, müssen sich die Larven (oder korrekter Nymphen) mehrmals häuten. Die Entwicklung zum Imago oder Vollkerf, also zum ausgewachsenen Insekt, ist mit der achten Häutung nach knapp drei Jahren abgeschlossen.

Fressen und gefressen werden

Die erste Zeit ihres Lebens ernähren sich junge Maulwurfsgrillen von Humus und kleinen Würzelchen. Die Mutter „füttert“ ihre Jungen sogar, indem sie mit ihren Grabbeinen immer wieder neue Wurzeln freilegt. Dabei werden die Pflanzen manchmal derart geschädigt, dass sie absterben.

Zum Pflanzenschutz bekämpfen Gärtner die Tiere, indem sie Garten und Gewächshäuser mit Nematoden (so nennen Biologen die Fadenwürmer) der Art Steinernema carpocapsae präparieren, die auf Maulwurfsgrillen ein für diese tödliches Bakterium übertragen.

Die vollentwickelte Maulwurfsgrille ernährt sich gelegentlich von Pflanzenteilen wie Knollen, vorwiegend aber von tierischer Kost wie Engerlingen, Schmetterlingspuppen, Drahtwürmern und Erdraupen. Die unterirdischen Gesellen fressen somit in erster Linie andere Schädlinge und können im Garten mitunter Gutes bewirken.

Konvergenz - Darwin, Evolution und die Maulwurfsgrille

Es ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen, dass die grabende Grille einem anderen Tier ihren Namen verdankt, und zwar dem Maulwurf (Talpa europaea). Der führt ein ganz ähnliches Leben unter Tage und verfügt ebenfalls über passendes Grabwerkzeug. Diese Ähnlichkeit bezeichnen Biologen als Analogien, denn die Grabwerkzeuge sehen fast identisch aus, doch sind sie verschiedenen Ursprungs und nicht aus einem gemeinsamen Merkmal heraus entstanden.

Charles Darwin, Begründer der Evolutionslehre, erkannte, dass eine gleiche Lebensweise einen ähnlichen Körperbau erfordert. Unter den Heuschrecken haben sich zwei weitere Familien in ähnlicher Weise an unterirdisches Leben angepasst, die Dreifingerschrecken oder Zwergmaulwurfsgrillen (Tridactylidae) und die Zylindergrillen (Cylindrachetidae). Beide Familien gehören zur Unterordnung der Kurzfühlerschrecken und sind mit den Maulwurfsgrillen nicht näher verwandt.

Eine Anpassung an gleiche Lebensweisen, die unabhängig voneinander stattfindet und nicht auf gemeinsame Vorfahren zurückgeht, nennen Forscher Konvergenz.

Sie dürfen nun zu Recht erstaunt sein über die Maulwurfsgrille. Sie führt zwar ein Leben im Verborgenen, aber für Biologen und als Schädlingsbekämpfer ist sie immens wichtig.

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